Aufreger Pferdefleisch?
Aufreger Pferdefleisch? Hilal Sezgin bringt den Skandal auf den Punkt
http://www.wdr5.de/sendungen/politikum/s/d/13.02.2013-19.05/b/aufreger-pferdefleisch.html
Aufreger Pferdefleisch? Der eigentliche Skandal ist die Tierhaltung!
Moderation: Liane von Billerbeck <http://www.wdr5.de/team/liane-von-billerbeck.html>
Nun schlagen die Verbraucher entsetzt die Hände vor den Mund wie hysterische Cheerleader in amerikanischen Filmen: Pferd? In meinem Essen könnte Pferd sein?
Ja, warum denn nicht! Schweine und Kühe essen sie doch auch. Tatsächlich verlangen sie ja, dass in diesem Essen, das derzeit aus den Regalen genommen wird, doch bitte lieber Kuh oder Schwein sein möge. Oder Huhn. Aber bitte kein Wellensittich!
Auch bei Pferden sind wir an sich nicht zimperlich. Reit- und Turnierpferde werden geschunden, ohne Rücksicht auf Hals- und Rückenschmerzen dressiert, bisweilen zu Tode geritten; wenn sie nicht mehr genug leisten, erhalten die wenigsten ihr Gnadenbrot, die meisten einfach den Bolzenschuss. – Aber in meinen Hamburger, in mein Fertigessen kommen die nicht!
Tierquälerei: Kein Problem?
Da legen Leute einen Euro für eine Wurst oder Frikadelle hin – zerkleinertes Fleisch oft unklarer Qualität. Sie interessieren sich nicht dafür, wann die zerkleinerten Tiere starben, wo diese Tiere starben, wie diese Tiere lebten und starben. Ungeachtet all dieses Desinteresses bestehen sie aber darauf, die Tierart zu wissen. Warum?
Wenn der Hamburger zum Beispiel wirklich von einem Schwein stammt, stand dessen Mutter die Hälfte ihres Lebens in einem Käfig aus Metallgittern, in dem sie sich nicht mal um die eigene Achse drehen konnte. Zehn Prozent ihrer Ferkel werden in den ersten drei Lebenswochen sterben, das ist bereits einkalkuliert. Dann nimmt man der Mutter die Ferkel weg. Erneut wird sie mit Hormonspritzen und künstlichem Eberduft empfängnisbereit gemacht. Künstlich besamt. Fünf bis sieben Tage nachdem man ihr die einen Ferkel weggenommen hat, fängt sie an, die nächsten auszutragen.
Da geht es zu wie am Fließband. Das ist kein Leben, das ist Produktion. Das ist Industrie mit Tieren. Man nennt es Massentierhaltung.
Niemand mag Massentierhaltung. Alle schimpfen über Massentierhaltung, als sei sie eine Art fremdgalaktischer Bösewicht wie Darth Vader. Es handelt sich aber nicht um Darth Vader, sondern um die übliche Quelle heutiger Nahrung tierischen Ursprungs in den Industrieländern! Unser Fleisch, die Milch, die Eier – sie werden nun mal in Massentierhaltung hergestellt, denn wir sind massenhaft Leute, die sich alle einbilden, massenhaft Fleisch, Eier und Milch essen zu müssen und zu dürfen.
Wir werden auch anders satt
Dürfen wir das wirklich? Selbst ohne die Massentierhaltung, selbst wenn es um wirklich glückliche Tiere ginge, denke ich: Wir werden auch anders satt und dürfen Tiere nicht ohne Not töten. Ein glückliches Tier will nämlich leben und hat auch das Recht auf sein Leben. Es will und sollte nicht in Transporter getrieben und stundenlang über Land gefahren und dann am Fließband geschlachtet werden.
Aber es macht den Konsumenten ja anscheinend nichts aus, dass Hühnern beim Einfangen oft Flügel und Beine gebrochen werden. Dass bei 500.000 Schweinen in Deutschland jedes Jahr die Betäubung versagt, so dass die Tiere im kochend heißen Brühbad bei vollem Bewusstsein um ihr Leben kämpfen und ertrinken. Nein, das lässt sich mit dem Gewissen vereinbaren. Und plötzlich ist einem unwohl, weil es doch nicht ertränktes Schwein, sondern Pferd war? Liebe Verbraucher, jetzt werdet nicht plötzlich zimperlich.
Autor/in:
Hilal Sezgin